.

TLV-Story: Stefan Huber - Hürden, Hühner und harte Arbeit

TLV-Story: Stefan Huber - Hürden, Hühner und harte Arbeit

Das Aus war bitter. Obwohl für die U20-Weltmeisterschaft qualifiziert, wurde Stefan Huber aufgrund einer Quotenregelung 2024 nicht für die 110 m Hürden in Peru nominiert. Das hat er längst abgehakt. Jetzt zeigt er sich kämpferisch wie nie. Zwischen Schulstress, Familienbetrieb und gesundheitlichen Rückschlägen hat er nicht nur die Hürden auf der Bahn gemeistert, sondern auch jene abseits davon. Am Wochenende unterbot er in Graz das Limit für die U20-Europameisterschaft in Tampere/FIN.

Stefan Huber ist kein gewöhnlicher Hürdensprinter. Wer ihn kennt, weiß: Er ist nicht nur ein leidenschaftlicher Athlet, sondern auch ein Analytiker – mit einem Faible für „YouTube“-Videos in seiner Disziplin.

„Ich kenne wahrscheinlich jedes Hürdenvideo im Netz“, sagt der 18-jährige HTL-Schüler mit einem Grinsen. Und diese Leidenschaft für Details spiegelt sich auch in seinem Training wider. Stefan analysiert seine Läufe, nimmt jeden Tag den Weg von Mariastein nach Innsbruck auf sich und kennt die Leichtathletikszene wie kaum ein anderer in Zahlen, Daten und Fakten.

Vom „schnellen Tiroler Buam“ zum Spitzensprinter
Seine Karriere begann früh. Schon in der Volksschule fiel Stefans Schnelligkeit auf. „Ich war immer ein sehr schneller Bua“, erinnert er sich. Ein Sportlehrer erkannte sein Talent und legte ihm nahe, es doch einmal im Leichtathletikverein in Wörgl zu versuchen. Es folgten erste Wettkämpfe wie die Golden Roof Challenge 2017 und ein Podestplatz im Landesfinale beim Tiroler Sprint Champion 2018. Dieser führte  ihn schließlich ins TLV-Leistungszentrum nach Innsbruck.

Heute trainiert Stefan beim IAC unter Coach Johannes Achleitner. Und das mit beeindruckendem Einsatz. Sein Alltag ist durchgetaktet.

„Ich fahre früh nach Jenbach zur Schule und bin bis 16 Uhr dort. Danach geht’s direkt ins Training. Meistens bin ich erst gegen halb zehn abends wieder zuhause. Es ist ein Mehraufwand, den ich in Kauf nehme, aber das ist nicht schlimm. Die Zugverbindungen von Wörgl nach Innsbruck sind gut und mit Moped oder Auto komme ich gut zum Bahnhof.“

Der Lebensmittelpunkt, so beschreibt er, liegt ohnehin in Innsbruck. Neben dem Training sind die Trackies (Trainingsgruppe) auch off track gemeinsam unterwegs.

Leistungssport und Landwirtschaft
Was viele nicht wissen: Neben Sprinttraining und Schulstress ist Stefan auch Teil eines großen Familienbetriebs – dem größten Geflügelvertrieb Tirols. „Wir verkaufen Hühner, Eier und alles, was dazugehört“, erzählt er stolz. Dank der Unterstützung seiner Eltern hat er keine festen Aufgaben am Hof, hilft aber als „Notfallmann“, wenn’s brennt.

Sein Lieblingsessen ist übrigens Zitronenhuhn – ein passendes Detail. Und dann ist da noch eine kuriose Geschichte: „Irgendwann ist unter all den braunen Hühnern eine graue Henne aufgetaucht, die grüne Eier gelegt hat. Das war dann mein Huhn. Ich nannte sie Rebekka. Ich hab sie getragen, gestreichelt, im Puppenwagen herumgeschoben …“, erzählt er lachend.

Rückschläge, Reife und Resilienz
Stefan hat gelernt, mit Rückschlägen umzugehen. Dass er 2024 trotz Limit aufgrund einer Quotenregelung nicht für die U20-Weltmeisterschaft nominiert wurde, reflektiert er nicht zerknirscht. „Ich war mehr enttäuscht, dass ich nicht schneller war.“ Statt anderen die Schuld zu geben, blickte er selbstkritisch auf seine Leistung und fühlte sich von der Tiroler Leichtathletikszene getragen: „Das bedeutet mir viel, dass der Verband so hinter mir gestanden ist.“

Auch 2025 lief nicht alles nach Plan. Eine Fußentzündung kostete ihm die Wintersaison, und kurz vor Saisonbeginn kamen auch noch Windpocken dazu. Dennoch blieb Stefan optimistisch. Dort, wo ihn 2024 eine Athletin am letzten Tag vor Quali-Schluss aus der WM-Liste verdrängte, revanchierte er sich nun ein Jahr später eindrucksvoll. Im Rahmen der österreichischen U23-Meisterschaften unterbot er in 14,11 Sekunden das U20-EM-Limit für Finnland.

Ziele auf und abseits der Bahn
Hinter der U20-EM-Qualifikation steht seit wenigen Stunden ein Häkchen. Weitere Ziele liegen in der Pipeline. Langfristig stehen die Matura und der Grundwehrdienst im Heeressport auf dem Plan – ein weiterer Schritt in Richtung Profisport.

„Ich denke, meine Stärken liegen in meiner Lernfähigkeit und meinem Gefühl für die Hürden“, sagt er selbstbewusst. Und diese Kombination macht ihn zu einem Rohdiamanten im österreichischen Hürdensport.

Stefan Huber ist mehr als nur ein talentierter Hürdensprinter. Er ist ein junger Mann, der Disziplin, Leidenschaft und Bodenständigkeit vereint. Sei es auf der Laufbahn, in der Schule oder am elterlichen Geflügelhof. Seine Geschichte zeigt, dass Spitzenleistung oft dort entsteht, wo man sie nicht erwartet: zwischen Rechenheft, Trainingsplan und Hühnerstall.

Fotos: Wolfgang Amri, Alfred Nevsimal

06/07/25 22:19, Text: Olivia Raffelsberger

zurück