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Leichtathletik goes "back to the roots" - Leistungszentrumstrainer Johannes Achleitner im Interview

Johannes Achleitner im Interview an der USI

Sollte es in der Freiluft-Saison noch Wettkämpfe geben, so wird diesen keine großartige Aufbauarbeit vorausgegangen sein.

"Wenn wir dann wieder am Platz stehen, machen wir schlicht und ergreifend Leichtathletik, nicht mehr und nicht weniger, wir werden Laufen, Springen und Werfen.",  so Achleitner  im Interview.

Die Krise wird zum verordneten Experiment. Was lernen wir daraus?

                                                                                                                     

Es wird vermutlich schon den ein oder anderen Wettkampf in der Freiluftsaison ´20 geben. Wie schaut die Saisonvorbereitung und die Langzeitplanung aus? Gibt es eine Strategie die Ihr, du und Alois, mittelfristig und langfristig verfolgt? 

Erstens glaube ich kaum, dass es im (Früh)Sommer (Mai/Juni) WK gibt, im Sommer vielleicht, im Herbst, denke ich, dann schon. Damit hängt aber natürlich auch eine mögliche "Strategie" zusammen. Ich/wir haben (auch in Absprache mit Alois), eigentlich keine richtige. Es ist einfach nicht möglich, eine zu entwickeln, da nichts (Infrastruktur, Schule, Studium...) klar ist. Spitzen-/Leistungssport muss per se schon geplant sein. Und wenn nicht(s) geplant werden kann, kann eben nich(s) geplant werden. Punkt.

Und das meine ich noch nicht einmal unbedingt 100%ig negativ und schon gar nicht resignierend. Es ist auch eine Chance, und zwar eine große...

Dieses Jahr wird völlig "back to the roots". Jetzt gerade tut jeder, was er eben will, was er bereit ist, zu tun. Es kristallisiert sich wohl jetzt gerade heraus, wer wirklich sportbegeistert oder nur "hochgezüchtet erfolgsorientiert" (Bitte keineswegs falsch verstehen auch ich stehe zu 100% hinter dem Leistungssport!!).

Und jetzt kommt's: Wenn wir dann wieder am Platz stehen, machen wir schlicht und ergreifend Leichtathletik, nicht mehr und nicht weniger, wir werden Laufen, Springen und Werfen.

Für großartige wissenschaftliche und trainingstheoretisch fundierte Aufbauarbeit bleibt dann halt keine Zeit. Ist aber auch egal und vielleicht sogar einmal auch wirklich entspannend - es gibt eh (noch) keinen klar definierten planbaren Höhepunkt, also müssen wir auch nicht planen, sondern wir "tun einfach".

Das Einzige, was ich als duchaus negativ empfinde und leider für ambitionierte junge Athleten und Athletinnen natürlich ein Riesenproblem ist, ist die Tatsache, dass den (vor allem 2.) Nachwuchsjahrgängen ein Jahr (und zwar ihr zweites und letztes in der jeweiligen Altersklasse) wohl unwiederbringlich verloren geht - vermutlich sowohl, regional, als auch national und international. Es wird zwar teilweise schon darüber diskutiert, die Nachwuchsjährgänge (bzw. die entsprechenden [internationalen] Meisterschaften) um jeweils ein Jahr zu verlängern - aber das wird so wohl alles nicht so einfach funktionieren...

 

Hältst du es für möglich, dass du irgendwann als Avatar am Sportplatz stehst und die Athleten über Audio- und Video-Übertragung betreust?

Für mich steht fest: Sobald die Sortanlagen wieder offen sind, stehe auch ich wieder am Platz - wozu sollten wir Audio- und Video-Übertragung benötigen? Ob mit Abstand, Mundschutz oder sonstwas, ist mir eigentlich egal, das organisieren wir uns dann schon so, wie's angedacht wird.

In der zeitlichen Reihenfolge, denke ich, gibt's zuerst wieder Tennis, Tischtennis und Ähnluches, dann kommen eh irgendwann schon wir, dannirgendwann die Spiel- und Kampfsportarten.

 

Hat der Sport, für uns die Leichtathletik, in Anbetracht der Bedrohung durch eine Pandemie, an Bedeutung verloren oder hat sich diese verlagert?

Das ist eine spannende Überlegung...

Ohne pathetisch zu werden: Die Leichtathletik wird nie sterben, auch nicht an Bedeutung verlieren. Sport (kommt irgendwie doch von körperlicher Betätigung - und die liegt einfach in der menschlichen DNA) wird bleiben und die LA ist nun mal die Grundlage allen Sports.

Dass Spitzen- und Leistungsport kurz- bis mittelfristig an (ökonomischer) Bedeutung verlieren wird, das wird schon so sein. Aber interessiert's uns? Was haben wir "ökonomisch" von unserem Sport? Wir haben alle den Riesenvorteil und müssen nicht davon leben. Wir tun das alles, weil wir es wollen, weil wir an uns arbeiten und besser werden wollen.

Wettkämpfe wird es immer geben. Sich zu vergleichen, ist so menschlich wie essen, trinken und schlafen. Ein größeres Problem könnten eventuell die hochprofessionalisierten Sportarten haben (finanzieller Aspekt). So wie ich unsere Menschheit einschätze wird aber auch dieses "Problem" nur von relativ kurzer Dauer sein.

Abgesehen davon: Es gibt immer ein Leben neben/mit dem Sport und es schadet niemandem, sich grundsätzlich auch mit anderen Dingen zu beschäftigen. Zugegeben, im normalen Trainingsalltag bleibt oft nicht viel Zeit für anderes, aber generell ist es schon eine gute Sache, nicht zu "einseitig" zu sein. Eine kleine Analogie dazu ist vielleicht das Aufbautraiing: Auch Werfern schadet es bekanntlich nicht, vielseitig zu trainieren. Umgemünzt auf diese Situation heißt das: Auch Sportlern schadet es nicht, sich auch mit anderem zu beschäftigen - was auch immer das ist.

 

Welche Möglichkeiten haben die Leichtathleten, speziell der Verband und seine Vereine, aus der Krise gestärkt hervorzugehen?

Das sollte wohl ein wichtiger Tagesordnungspunkt für unsere erste Vorstanddsitzung nach der langen Pause sein :-)

                                                                                                                                                                

18/04/20 18:26, Text: Paul Koller

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